bearbeitet von: Christine Arnold
Kirchditmold ist älter als Kassel und war vermutlich bereits vor der Christianisierung der Bevölkerung Mittelpunkt eines größeren Raumes. Dietmal, Ditmael, Dipmel, Ditmol sind einige der vorkommenden Bezeichnungen, am längsten üblich war Ditmelle/ Dietmelle. Erst mit der Gründung eines weiteren Dorfes durch Ditmeller Bauern erhält das alte Dorf den Namen Kirchditmold, der Ableger Rothenditmold. Der Name Ditmold ist germanischen Ursprungs, 1019 war es Mittelpunkt einer Zent. Später war der Ort bis in die Neuzeit hinein kirchlicher Mittelpunkt für die Dörfer Wahlershausen, Wehlheiden, Rothenditmold, und Harleshausen, verbunden mit der niederen Rechtsprechung.
In Kirchditmold hatte der zuständige Geistliche seinen Wohnsitz, nur hier befand sich eine Kirche und nur hier wurde über lange Jahre geheiratet und begraben. Hier steht bis heute der steinerne Gerichtstisch, eine alte Steinplatte auf zwei Böcken.
Diese Zentralfunktion hat Kirchditmold erst im 19. Jahrhundert aufgeben müssen. Im Zuge der Zuwanderungen stiegen die Einwohnerzahlen nicht nur in der Stadt Kassel, sondern auch in den benachbarten Dörfern rasant (siehe Aufstellung). Die Dörfer benötigten eigene Pfarrer und wurden zu selbständigen kirchlichen Gemeinden.
1585 22 Haushalte
1639 24 Haushalte
1747
1761 60 Haushalte
1805 78 Häuser: 1 Schulhaus, 1 Pfarrhaus, 9 Bauernhäuser, 67 gewöhnliche Häuser, 1 Kirche,
209 Mannspersonen, 228 Frauenpersonen = 437 Einwohner
1842 732 Einwohner in 99 Häusern
1885 1449 Einwohner
1900 2335 Einwohner
1905 3153 Einwohner in 220 Häusern
1929 4000 Einwohner
1939 6000 Einwohner in 635 Häusern
1950 11000 Einwohner
1959 14300 Einwohner in 1392 Häusern
1976 12270 Einwohner
1983 11511 Einwohner
Kirchditmold war über Jahrhunderte hinweg ein reines Bauerndorf. Es verfügte über eine große Gemarkung, der ganze Vordere Westen der Stadt Kassel, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bebaut, war Kirchditmolder Bauernland. lndustrieansiedlungen erfolgten nicht, mit der Verarmung der kleineren Bauern sank auch die Bedeutung des Ortes.
Im Jahre 1906 wurde der Ort nach Kassel eingemeindet und systematisch durch Bau von Straßen und Straßenbahnen an die Stadt angebunden. Der Ort nahe dem Habichtswald wurde als gute Wohnlage entdeckt - obzwar lange Jahre keine „feine" Adresse, wurde Kirchditmold eine der beliebtesten Wohngegenden Kassels. Dies ist bis heute geblieben.
Leider sind die Zeugen aus der frühen Zeit (ziemlich rigoros) bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts beseitigt worden. Doch gibt es bei näherem Suchen noch manches Kleinod zu entdecken, wie beispielsweise der Platz des steinernen Gerichtstisches. Die Einwohner halten zusammen, es gibt ein ausgeprägtes Vereinsleben, alte Häuser sind keine Belastung, sondern werden sorgsam gepflegt.
Es gibt keinen Ort ohne Probleme, deren Gewichtung ist bei neutraler Betrachtung allerdings unterschiedlich. 1842 wird Kirchditmold von G. Landau folgendermaßen beschrieben:
"Beschreibung des Kuvfürstenthums Hessen G. Landau", Kassel 1842
"K i r c h d i t m o l d, Kirchdorf nordöstl. unter Wilhelmshöhe, in einem lieblichen von dem Angersbach durchflossenen Thale, aus dem es sich bis zu der schönen 1792 erbauten Kirche hinanzieht, welche an der höchsten Stelle stehend, das ganze Thal beherrscht. Uralt ist der Ort, dessen Name (Dietmelle) schon auf Volksversammlungen hindeutet, welche hier gehalten wurden. Schon 1019 standen hier 2 Kirchen, von denen die eine schon verfallen war. Der hiesige Priester war zugleich Vorstand des Dekanats, welches alle Kirchen vom Habichtswalde bis Münden umschloß. Wie schon ehemals, so wallen auch noch jetzt 5 Gemeinden. (Kirchditmold, Wahlershausen, Wehlheiden, Rothenditmold und Hadeshausen) zu seiner Kirche, dieselben, welche hier auch ihr Gericht hatten, das deshalb auch schlechtweg "das Kirchspiel" genannt wurde. Noch sieht man im Dorfe die Spuren der früheren Kirche. Im siebenjährigen Kriege….nicht ergeben wollte. (Schilderung einer Kampfhandlung auf dem Friedhof).
Kirchditmold besitzt einige auf das freundlichste eingerichtete öffentliche Vergnügungsorte, die von Kassel aus häufig besucht werden, und 99 H. und 732 E (99 Häuser und 732 Einwohner), von denen der größte Thell aus Maurern, Weisbindern und Tagelöhnern besteht." (Nicht kursive Schrift: Einfügungen von Lars Ramdohr)
Die vermutlich älteste Kirche in Kirchditmold ist uns über den Heiligen Haimrad bekannt, den späteren Gründer des Klosters Hasungen. Die Überlieferungen berichten, daß Haimrad im Jahre 1012 nach Kirchditmold kam, um zu predigen. Neben der Taufkirche, in der der zuständige Erzpriester amtierte, gab es eine weitere, sehr viel ältere und bereits als alt und vernachlässigt beschriebene Kirche. Hiervon hat man bis heute keine Reste gefunden. Es kann sein, wenn es die erste Kirche am Platz war, daß sie aus Holz gebaut war, oder daß ihre Steine zu später immer wieder erforderlichen Reparaturen der Kirchditmolder Martinskirche Verwendung fanden. Vermutlich befand sich diese alte Kirche an der Stelle einer heidnischen Opferstelle, sie dürfte in der Nähe der aus einem Kalkfelsen sprudelnden Quelle gestanden haben.
Über Haimrad (gestorben 1019) wissen wir, daß er mit der älteren, schon verfallenden Kirche zufrieden war. Die Gläubigen kamen verstärkt zu seinen Gottesdiensten, die Konkurrenz zu dem ansässigen Priester wuchs. Wie viele Heilige wurde auch er von seiner Kirchenleitung als unbequem angesehen. Als Haimrad der Frau des Vikars (damals wurde das Zölibat nicht von allen Priestern eingehalten) Sittenlosigkeit vorwarf, wurde er auf Veranlassung des Ortspriesters mit Hunden aus dem Dorf vertrieben.
Die Martinskirche, 1794 wegen Baufälligkeit abgerissen, stand dort, wo sich heute die mächtigen Schulgebäude erstrecken. Kirchditmold war Zentrum eines Kirchspiels, auch die Kirche war für damalige Zeiten bedeutend. Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen fanden hier statt - noch heute gibt es den "Hochzeitsweg" in Kirchditmold.
Man vermutet, daß die alte Kirche aus der karolingischen Zeit stammt. Sie muß eine beachtliche Größe gehabt haben, auch die Ausstattung war sicher nicht ärmlich.
Bekannt ist, daß diese Kirche wiederholt ausgebessert werden mußte, zweimal stürzte der Kirchturm ein. Heute wird bei einem Rundgang durch den Ortskern noch die alte Türschwelle dieser Kirche gezeigt.
Als nach einem Turmeinsturz die Frage eines Neubaues diskutiert wurde, bestand der Landgraf zunächst auf der nochmaligen Reparatur. Erst Simon Louis du Ry, den er damit beauftragte, überzeugte ihn von einem Neubau. Im November 1786 erhielt der Architekt hierzu den Auftrag. Die Kirche wurde weit vom alten Zentrum entfernt gebaut, an einer Stelle, an der dieser mächtige Bau weit zu sehen war.
S.L. du Ry war Hugenotte, er baute streng nach hugenottischer Tradition. Diese Strenge und Einfachheit wurde in früheren Zeiten nicht verstanden, über die Kirche wurde viel gespottet. Heute ist sie eine der ältesten durch den Krieg nicht zerstörten Kirchen Kassels, durch ihre Strenge wirkt sie trotz ihres sichtbaren Alters modern.
Aus Kostengründen - mehrfach waren die vom Landgrafen bewilligten Baukosten überschritten worden - wurde der Turm entgegen dem Bauplan nur einstöckig gebaut. Durch Blitzschlag 1910 brannte das hölzerne Obergeschoss ab. Damals entsann man sich der Pläne du Rys und setzte dem Turm ein weiteres Geschoß auf. Seit dieser Zeit hat der Turm auch auf allen vier Seiten ein Ziffernblatt der Turmuhr, zuvor besaß nur die Seite zum Dorf und die zum Schloß ein solches.
Bisher wurde viel über Kirchen und Kirchliches berichtet. Tatsächlich ist die Geschichte des Ortes fest damit verbunden. Es sei kurz berichtet, daß Heimatforscher, allen voran H. Heinemann aus Kirchditmold, auch den Ursprung des Klosters Weißenstein in den Ort verlegen.